27.09. bis 30.09.1995 an der Universität Hamburg
Tatsächlich, dies war bereits das zehnte Symposium des Dachverbands der Studierenden der Musikwissenschaft, der an sein DVSM seit kurzem auch ein e.V. anhängen darf. Was also in gesetzteren Kreisen doppelt Anlaß böte zu Selbstfeier mit endlosen Grußworten, wurde in Hamburg begangen, indem man einen prima Kongreß organisierte und durchführte. Solches ist auch Professionalität, ohne Professoralität aber.
Es beeindruckte grundsätzlich, wie eine – bei dem an sich weitläufigen Thema ja leicht mögliche – Ausuferung durch das konzise Programm vermieden wurde. Im einzelnen war es freilich viel bunter.
So forderte gleich zu Beginn Guerino Mazzola die ‚Big Science in Musicology‘ ein und erläuterte nicht nur sein vielversprechendes Rubato-Projekt, sondern auch innerhalb einer Sekunde die Sonatenhauptsatzform. Durch Uwe Seifert mit einem weniger utopisch-visionären denn nüchtern-systematischen Ausblick ins 21. Jahrhundert versehen, konnte man dann wenigsten den drei folgenden Tagen gespannt ins Ohr blicken.
Wenn Medientheorie und Musiktheorie aufeinandertreffen, ergeben sich vielfältig interessierende neue Positionen. Um so schlimmer, daß Lex Wouterloot dann Non-Non-Linearität (?) thematisierte und in seinem ebenfalls annoncierten Wolkendenken hängenblieb.
Norbert Schläbitz oder Matthias Vogel zeigten da ergiebiger, wie konzentriert hier an- und weitergedacht werden kann.
„Halt’s Maul und tu was!“ hätte Arno Schmidt bei drohender Theorieballung gefordert, doch lag in diesen Tagen die Praxis immer nahebei, war die alte Dichotomie gar häufig verschwindend. Am Menschen orientiert ist ohnehin der Radikale Konstruktivismus, der verdienstvollerweise einen Schwerpunkt bildete sowie die Brücke zur Musikpädagogik, anhand derer die Anwendbarkeit und Notwendigkeit neuer Technologie aufgezeigt wurde, so durch Christian Harnischmacher oder Carola Böhm und Christoph Hempel. Es wurde deutlich, daß das Neue nicht mehr allein wegen seiner Neuheit kurz interessiert, sondern auf Dauer integriert zu werden scheint. Der prickelnde Reiz des Experiments bleibt dennoch erhalten.
Der Komponist Johannes Goebel verlor keine Worte, sondern fand die richtigen, um eloquent und amüsant (bei aller Fundierung) nicht nur vorzutragen, sondern auch durch eines der drei Konzerte zu führen, welches ‚Interaktive Musik‘ bot. Man hätte sich (und den Charms-Texten) zwar das lahme Pseudo-Musiktheater von Stahnke ersparen sollen, blieb jedoch durch die Stücke von Mainka und Furukawa weit im Bonus. Synästhesie wird durch Interaktivität erst schön. In der Roten Flora wuchsen am letzten Abend höchstens Eisblumen, die Musik heizte aber dann ge-hörig ein, und die Nacht wurde lang.
Ob das nun alles ‚Viel Lärm um Nichts‘ sei, hatte sich eigentlich bereits bei der gleichlautenden Podiumsdiskussion niemand mehr gefragt. Medien, Musik und Mensch bilden längst einen unabdingbaren Konnex sowie einen neuen Kanon, der jedem modernen Musikwissenschaftler nahe sein sollte. Die etwas geringe Teilnehmerzahl falsifiziert dies nicht. Leider fand zeitgleich in Wien ein ähnliche Interessentenkreise ansprechender Kongreß statt, so daß Experten wie Christoph Reuter und Ray Bradbury fehlten. Die wiener Veranstaltung war notabene nach der Terminierung des DVSM durch darum wissende Professoren organisiert worden: Ein Schelm, wer…Naja. Die Beiträge werden nachzulesen sein in der neuen Reihe ‚Forum Musik Wissenschaft‘, deren erster Band, über das Kölner Popmusic-Symposium, jetzt herausgekommen ist (ConBrio Verlagsgesellschaft Regensburg).
Dabeisein ist aber doch das meiste.
Stefan Weihrauch, Köln
10. Internationale DVSM-Nachwuchssymposium – „Medien – Musik – Mensch“
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